Hunger-Pandemie_2020

Aktuelles aus Südafrika

Hunger macht mehr Angst als die Pandemie

Donaukurier am 15./16.08.2020
Nach Corona-Lockdown in Südafrika mussten auch die beiden Siyabonga-Zentren schließen – Lebensmittellieferung mit Sondergenehmigung
Corona-Sicherheitsmaßnahmen bei der Ausgaben von Lebensmitteln. Foto: Verein Siyabonga
Ingolstadt - Mitte März hat es noch gewurlt in den beiden Siyabonga-Zentren in den südafrikanischen Townships Esigodini und Imbali. Kurz darauf bestimmte auch in Südafrika das Corona-Virus das tägliche Leben. Um die Pandemie einzudämmen, wurde in Südafrika gleich zu Beginn das öffentliche Leben komplett heruntergefahren. Mit der von Präsident Cyril Ramaphosa am 27. März verhängten Ausgangsbeschränkung - eine der weltweit härtesten - veränderte sich der Alltag der 57 Millionen Bürger massiv: Sie dürften ihr Zuhause lediglich zum Einkaufen von Lebensmitteln oder Medikamenten und zum Arztbesuch verlassen.

    „Auch der Betrieb in unseren beiden Siyabonga-Zentren war betroffen. Wir mussten den Kindergarten schließen und auch das tägliche Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung für unsere 600 Patenkinder einstellen. Es war niemandem erlaubt, das Haus zu verlassen oder gar hinaus ins Township zu fahren“, erinnert sich Ingrid Geisenfelder, die 1. Vorsitzende des Ingolstädter Vereins Siyabonga – Helfende Hände für Afrika, an die ersten Wochen im Lockdown. Polizei und Armee überwachten, dass Stadtteilgrenzen nicht verlassen wurden. Nur Menschen mit systemrelevanten Berufen durften arbeiten. Die meisten anderen verloren von einem Tag auf den nächsten ihre Arbeit. Ob Taxifahrer, Straßenhändler, Hausangestellte, Parkplatzwächter, Müllsammler oder Handwerker – ohne Arbeit hatten sie kein Einkommen und ihre Familien nichts zu essen. „Der Lockdown bedroht uns mehr als das Virus“, war eine oft gehörte Aussage.

    „Gottseidank konnten wir im März noch kurz vor dem Beginn der Ausgangsbeschränkung die ersten Essenspakete austeilen. Gerade in der Krisensituation wollen wir den Kindern und Familien beistehen“, erinnert sich Ingrid Geisenfelder. Erst als dann Ende April die Not in den Armenvierteln immer größer wurde, durfte der Verein Siyabonga mit einer Sondergenehmigung wieder Lebensmittel ins Township liefern. Seitdem stellen Siyabonga-Mitarbeiter regelmäßig Versorgungspakete für 600 bedürftige Familien zusammen. Außer Lebensmittel beinhalten sie auch Hygieneartikel wie, Seife und Masken, genäht von den Damen des Siyabonga-Nähprojektes und eigens zusammengestellte, altersgemäße Lernmaterialien. Geisenfelder ist voll des Lobes: „Für mich sind unsere Mitarbeiter die großen Heldinnen und Helden des Corona-Alltags. Uneigennützig sind sie für ihre bedürftigen Mitmenschen da, packen und verteilen Lebensmittelpakete und sind Ansprechpartner für die Familien in dieser schwierigen Zeit.“ Laufend machten sie die Erfahrung, dass staatliche Hilfsmaßnahmen bei der armen Bevölkerung nicht ankommen. Aktionen wie die von Siyabonga werden deshalb dankbar angenommen.

   Aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus musste Präsident Cyril Ramaphosa den strengen Lockdown Anfang Juni lockern. Seitdem schnellt die Zahl der Neuinfektionen nach oben. So mussten auch die Schulen nach einer kurzzeitigen, schrittweisen Öffnung  wieder geschlossen werden. Südafrika hat mittlerweile mehr Erkrankte als alle anderen 53 afrikanischen Staaten gemeinsam. Mit 572.865 nachgewiesenen Infektionen (Stand 13.08.2020; Quelle: www.sacoronavirus.co.za). steht Südafrika weltweit hinter den bevölkerungsreichen Ländern USA, Brasilien, Indien und Russland an fünfter Stelle.

   Gerade hier in den Townships sind viele Menschen wegen Vorerkrankungen wie Tuberkulose, Lungenentzündung, HIV und Aids besonders gefährdet. Auch das Alter ist ein großer Risikofaktor. Großeltern, eine wichtige Stütze bei der Betreuung von Kindern, könnten im Krankheitsfall ihre Enkel nicht mehr richtig versorgen. Die meisten Menschen in den Townships fürchten jedoch nicht so sehr das Virus und die Gefahr, die von ihm ausgeht. Dass sie ihre Familien nicht mehr versorgen können, dass ihre Kinder Hunger leiden müssen – diese Vorstellung macht ihnen mehr Angst als die Pandemie.
DK

   Wer spenden möchte: Spendenkonto bei der Raiffeisenbank im Donautal eG, IBAN: DE37 7216 9812 0000 0876 37, Vermerk „Corona-Hilfsfonds“.
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